027 – Johanna Haarer und die geknechteten Seelen
Gerne hätten wir noch länger an den Küsten Siziliens verweilt, doch es wird Zeit für ein völlig anderes Thema. Solveig hat kürzlich eine Dokumentation über Jürgen Bartsch gesehen. Bartsch war ein Serienmörder, der in den 1960er Jahren mehrere Jungen misshandelt und ermordet hat. Freimütig erzählte er Ermittlern und Psychologen über seine eigenen Kindheitserfahrungen in der Familie und im Kinderheim. Bei der Berufung zu Bartschs Urteil hat das Gericht diese Erfahrungen beim Strafmaß berücksichtigt. Seine Darstellung erinnert Solveig an die Maximen zur Kindeserziehung von Johanna Haarer.
Mag die Kindheit des Serienmörders auch ein Extremfall sein, begann zu dieser Zeit auch eine Auseinandersetzung mit überkommenen Erziehungsmethoden. Noch bis 1987 erhielt manche werdende Mutter in Deutschland einen Ratgeber geschenkt, dessen Autorin dem Nationalsozialismus verhaftet war. „Die deutsche Mutter und ihr erstes Kind“ war das bekannteste Buch der Ärztin Johanna Haarer und 1934 erschienen. Darin warnt sie davor, Kinder zu verzärteln und durch zu viel Zuwendung zu Tyrannen zu erziehen. Ihre Ratschläge verbreiteten sich in Auflagen von insgesamt 1,2 Millionen Exemplaren und nicht nur (werdende) Mütter, sondern auch Erzieher*innen rezipierten das Buch.
Aus Sicht von Johanna Haarer haben Theorien der vergangenen Jahrhunderte die Kindererziehung völlig verhunzt. Solveig hat daher nochmal nachgeschaut, welche Vorstellungen sich zum Beispiel in Rousseaus Erziehungsroman „Émile oder über die Erziehung“ oder in den Werken des deutschen Pädagogen Johann Ludwig Ewald finden.
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